Dienstag, 4. Mai 2010

EU-NORMal

Als Normalbürger ist man ja häufig so sehr mit seinem schlichten Alltag beschäftigt, dass man sich für größere gesellschaftliche und politische Zusammenhänge explizit Zeit stehlen muss. Ich persönlich halte es aber für außerordentlich wichtig, immer wieder über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen: Bloß weil etwas sehr weit weg ist, bedeutet es ja nicht, dass es mich nicht betrifft. Ich merke es vielleicht nur nicht unmittelbar.

Diesbezüglich könnte mir doch glatt schon wieder dieser isländische Vulkan in den Sinn kommen. Obwohl den ja viele Menschen direkt betroffen haben! Aber weit genug weg, dass man glaubt, nicht an ihn denken zu müssen, ist er schon.

Aber zurück zu den großen politischen Zusammenhängen!
Manchesmal frage ich mich, "Was machen die da im Europäischen Parlament eigentlich genau?".
Und hätte man mich noch vor Kurzem gefragt, ich hätte ganz naiv geantwortet, "Die EU sorgt sich um die Koordinierung des Miteinanders der Mitgliedsstaaten." ... Womöglich hätte ich sogar noch - ganz im urkindlichen Bedürfnis nach vollkommenem Schutz - gemurmelt, "zum Wohle der Menschheit". Was für ein herrlicher Heile-Welt-Gedanke:
In der EU kümmern sich wichtige Leute um wichtige Belange, zu meinem und unser aller Wohl!

Mir war nach über den Tellerrand schauen.
So kam es mir in den Sinn, ein bisschen im Parlamentsinformationssystem PARLIS der Stadt Frankfurt rumzusurfen. Dabei stieß ich auf ein Wortprotokoll der Stadtverordnetenversammlung (StvV) Frankfurt vom Januar 2010.
Und jetzt kommt´s: Für den 01.01.2010 hat die EU in ihrer Güte und Weitsicht eine NORM für die europäische Welt beschlossen, nach der "Kinderwagen auf Rolltreppen verboten" sind.
Bitte, was!?!
Ist das ernst zu nehmen?
Wenn sich das Parlament der EU, die aus 27 Staaten mit insgesamt über 700 Millionen Einwohnern besteht, damit auseinandersetzt, auf welche Weise in den einzelnen Städten einzelne Eltern mitsamt ihren Babys in die U-Bahn gelangen ... wozu haben wir dann die eigene Regierung noch? Das StadtPARAlament hat sich ja dann auch noch mal eingehend damit befasst und befunden, "Ja, es ist ernstzunehmen, aber nicht zwingend" und amüsiert sich köstlich darüber (Zitat: Beifall, Heiterkeit") einen Weg gefunden zu haben, diese Sicherheitsvorgabe der EU zu umgehen.
Da kommt mir gerade in den Sinn, Parlament leitet sich ja vom französischen parler (sprechen) ab und hiervon das Parlaver - wobei Letzteres eher trivial besetzt ist und für Büttenreden herhält. Auch fällt mir dazu der berühmte Sozialpädagogenwitz ein: "... Gut, dass wir mal drüber gesprochen haben!".

Nein, ich will nicht darüber sprechen wer das letztendlich bezahlt. Dieser Gedanke drängt sich einem sogar ohne Stammtisch beinahe zwingend auf... Viel mehr interessiert mich, wo der ganze Sicherheitszirkus noch hinführt!?
Meinen kleinbürgerlichen Anfangsgedanken revidierend müsste ich nun formulieren:
In der EU kümmern sich Leute, die sich für sehr wichtig halten, um nichtige Belange, zu meiner und unser aller Bevormundung. Was natürlich vollkommen undifferenziert ist und daher ebenso wenig korrekt, wie dessen anfängliche Umkehrung.

Spannend finde ich hier einen elterlichen Vergleich. Man spricht ja von "Vater Staat", vielleicht jetzt auch schon von "Mutter EU"? Also sprechen wir über Regierungspädogogik; und es ist allgemein bekannt, dass permanente Bevormundung unweigerlich zu Verblödung führt.
Ist das das Ziel?
Geht es in der Erziehung nicht vielmehr darum, den Nachwuchs auf das Leben vorzubereiten? Und ist das Leben nicht gerade deswegen so wundervoll, weil es NICHT kalkulierbar ist? Weil es Herausforderungen bereithält, Überraschungen an denen wir uns messen und wachsen? Und ist es wirklich so schwierig und riskant, einen Kinderwagen auf der Rolltreppe festzuhalten?

Der menschliche Verstand ist in der Lage, nicht nur Risiken aus der eigenen Erfahrung heraus zu erkennen, sondern auch über Erfahrungskombinationen und aus dem Vorstellungsvermögen heraus neue Risiken abzuschätzen. (Man muss sich nicht erst vor den herannahenden Laster werfen, um zu wissen, dass das voraussichtlich tödlich endet!) Auf diese Weise schützt er das Leben seines Menschen. Geht der Verstand aber soweit, dass er schon Alarm schlägt, sobald sein Mensch nur das Haus verlässt (wegen des Ziegelsteins, der ihm auf den Kopf fallen könnte!), leidet er an einer Angstneurose.
... sagt uns das nun etwas über den Zustand des EU-Parlaments?

Besorgte Grüße :o)

1 Kommentar:

  1. Hallo Andrea, als Literatur zu diesem Thema möchte ich dir von Dr. K Sprenger das Buch "Der dressierte Bürger" empfehlen.
    gibt es auch als Hörbuch)
    Die meisten Bürger schreien nach dem Staat und fordern Bevormundung wie Rauchverbot oder Schneekettenpflicht etc.
    Die Gerichtsaale sind voll mit Urteilsforderungen zu dem letzten Scheiß.
    Das Europaparlament sehe ich als einen Versuch allen EU Bürgern das gleiche Bewusstsein zu Recht und Unrecht überzustülpen und unser Leben zu vereinheitlichen.
    Wozu das habe ich noch nicht erkannt.
    Viele Grüße aus Düsseldorf Uli

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