Sonntag, 2. Mai 2010

Fakten, Gefühle, Entscheidungen

Jetzt ist es raus: Wir leben in einer entscheidungsfreien Welt.
Die einen können sich nicht mehr entscheiden, und die anderen wollen nicht.

Wissenschaftliche Arbeiten von Neurologen belegen, dass für erfolgreiches Entscheiden außer dem Abwägen von Fakten, vor allem Emotionen und die Erinnerung an dieselben fundamental wichtig sind. Versuche haben gezeigt, dass der Körper viel früher als das bewusste Denken weiß, welche Entscheidung die "richtige" ist. "Ich denke, also bin ich" reicht nicht aus. Fühlen gehört zum intelligenten Menschsein untrennbar dazu.

Nun ist es ja kein Geheimnis, dass im Rahmen der Arbeitswelt Gefühle am liebsten vollständig ausgemerzt würden, und längst haben sich viele Menschen von diesen unliebsamen, scheinbar nicht zähmbaren Emotionen getrennt. Zumindest äußerlich.
Unter der Haut, da schlummern sie weiter. Sammeln sich. Warten auf den Moment der Offenbarung. Und wehe, wenn sie es schaffen, die harte Schale zu knacken! Ich erinnere nur an den isländischen Vulkan! ... aber das ist ein anderes Thema.

Menschen, die sich von ihren Empfindungen vornehmlich getrennt haben, wälzen die Fakten um und um ... und um ... und kommen zu keinem Ergebnis. Das sind die, die keine Entscheidungen mehr treffen können.
Diejenigen, die es nicht mehr wollen, haben geradezu berechtigte Sorgen über die heutzutage weitreichenden Folgen. In dieser medial geprägten globalen Öffentlichkeit, wird kein Fehler mehr verziehen (höchstens verdrängt). Und auch nicht vergessen. Im Internet verjährt NICHTS! Da kann in Sekunden eine Karriere, ein ganzes Leben zunichte gemacht werden.
Bungeejumping ist ein Witz im Vergleich zum Federführen eines Blogs.

Und nun schauen Sie sich um. Es scheint doch wahr zu sein:
Immer weniger Menschen mögen wirkliche Entscheidungen treffen. Zu ihrem Wort stehen. Die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen.
Ein Beispiel - was mir gerade in den Sinn kommt: Seit Jahren wird von einer notwendigen, umfassenden Steuerreform gesprochen. Alle wissen, sie muss endlich realisiert werden. Dass sie nicht stattfindet, liegt nicht an fehlenden Konzepten oder mangelnden Ideen. Nein!
Es will einfach niemand mehr eine Hand ins Feuer legen. Was, wenn man sich dem falschen - weil nicht perfekten - Konzept verschreibt? Das ganze Land ins Unglück stürzt? Und was das kostet! Außerdem, wo bleibt die Erfolgsgarantie?
Nein, nein. Lieber knorzt man hier ein bisschen an diesem Paragraphen und nestelt ein wenig an jenem Artikel herum, streicht ein Absätzchen, streut der globalen Öffentlichkeit ein bisschen Sand in die Augen, ruft dazu "Hurra! Wir packen´s an!", lächelt dabei überzeugend in die nächstbeste Kamera, und klopft sich hernach selbst auf die Schulter, wie elegant man doch dieses unsägliche Risiko einer klaren Ansage umschifft hat!
Es sieht aus wie eine echte Entscheidung, fühlt sich auch so an, macht aber nichts und minimiert dadurch die Gefahr der Schuld: Ein Entscheidungs-Dummie.
... für Autocrashtests nimmt man ja schließlich auch keine echten Menschen!

A pros pos Perfektionsanspruch und Erfolgsgarantie:
Gleichzeitig wächst in dieser Gesellschaft - wie zum Hohn - unaufhörlich die Zahl derer, die bildungs-, niveau- und talentfrei, sich selbst nicht in der Lage adäquat einzuschätzen, überhaupt keine Probleme haben, sogar gänzlich sinnfreie Entscheidungen zu treffen.
Denn merke: Ohne Emotionen, keine Entscheidungen! Ohne Fakten - kein Problem!

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